Arbeitswertlehre

Die historische Preisbildung in Klassischer Lehre und Marxismus

Ein Artikel im Kompendium der marktwirtschaftlich-sozialökologischen Ökonomik

Zentrale Fragen angesichts der neoliberalen Krise:
Wie sind Beschäftigung und faire Einkommen zu sichern?
Wie kann die Umwelt effektiv geschützt werden?
Wie ist die wirtschaftliche Globalisierung zu gestalten?
Welchen Beitrag kann die Wirtschaftswissenschaft leisten?
Welche Aufgaben muss die Wirtschaftspolitik wahrnehmen?
Wie ist die Wirtschaftspolitik demokratisch zu legitimieren?

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Inhaltsverzeichnis

  1. Überblick
  2. Begriffseinordnung
    > 2.1 Preisbildung in der klassischen Lehre
    > 2.2 Preisbildung im Marxismus
  3. Preisbildung in der Marktwirtschaft

1. Überblick

Vor unkritischen Rückgriffen auf Theoreme historischer ökonomischer Lehren ist zwar grundsätzlich zu warnen, aber sie können durchaus den Blick für die Einordnung moderner ökonomischer Erkenntnisse schärfen. Die historische Entwicklung der Vorstellungen zur wirtschaftlichen Preisbildung ist dafür ein geeignetes Beispiel, auch weil sie nebenbei noch eine Erklärung liefert, weshalb die praktische Umsetzung marxistischer Ideen zum Scheitern verurteilt ist.

2. Begriffseinordnung

Als Arbeitswertlehre werden die historisch überholten Grundlagen sowohl der klassischen als auch der marxistischen Preisbildung bezeichnet, an denen sich die Unterschiede beider ökonomischen Lehren sowie auch die Weiterentwicklung zum modernen marktwirtschaftlichen Preismechanismus demonstrieren lassen:

2.1 Preisbildung in der klassischen Lehre

In der von Adam Smith und David Ricardo im 18. und 19. Jahrhundert geprägten Klassischen Lehre werden »natürlicher Preis« und »Marktpreis« unterschieden. Ersterer berechnet sich aus den Kosten der Arbeit und der Bodenrente sowie dem unternehmerischen Profit. Der Einfluss des Marktes wird als unbedeutend eingeschätzt, weil unterstellt wird, jedes Angebot schaffe sich automatisch seine eigene Nachfrage und der Marktpreis weiche jeweils nur vorübergehend und geringfügig vom natürlichen Preis ab. Daraus folgt die Annahme, dass Güter und Dienstleistungen, die bei entsprechendem Aufwand in beliebiger Menge produziert bzw. erbracht werden können, also beliebig vermehrbar und folglich nicht knapp sind, ein objektiver Tauschwert zugeschrieben wird, der mit ihrem (natürlichen) Preis identisch ist.

Da die klassische Lehre zudem auf der Annahme beruht, die Wirtschaft befinde sich in einem ständigen Gleichgewichtszustand mit allen volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren jederzeit voll eingesetzt, stets geräumten Märkten und ausschließlich freiwilliger Arbeitslosigkeit, kann vom klassischen Modell keine realistische Abbildung und Steuerung der wirtschaftlichen Vorgänge erwartet werden.

Wer sich näher mit den Ursprüngen der Ökonomik befassen will, empfehle ich den Artikel Klassische und Neoklassische Lehre.

2.2 Preisbildung im Marxismus

Die Marxsche Lehre greift später auf diese Elemente der Klassischen Lehre zurück, klammert aber den Einfluss des Marktes völlig aus und beschränkt die Preisbildung auf die Arbeit. Die soll als »variables Kapital« den Mehrwert schaffen, der identisch mit dem unternehmerischen Profit ist (Differenz zwischen dem Tauschwert der produzierten Güter und dem Tauschwert der Arbeit), während die Produktionsfaktoren Kapital und Boden als »konstantes Kapital« lediglich ihren Wert auf die Güter übertragen, selbst aber keinen Mehrwert erzeugen.

Da laut Marx einzig die menschliche Arbeit zur Wertschöpfung befähigt ist, sind die Kapitalisten versucht, den Arbeitseinsatz der Proletarier ständig zu steigern (für eine zeitgemäße Kritik siehe den Artikel Exzesse des Kapitalismus). Diese Vorstellung dient Marx als Grundlage seiner Theorie der Ausbeutung. Später modifiziert er seine Arbeitswertlehre in Bezug auf industrielle Produktionen mit hoher Kapitalbildung, indem er dem Faktor Kapital neben der Arbeit eine wertschöpfende Funktion zubilligt. Es gelingt ihm jedoch nicht, ein praxisgerechtes Modell für die Bestimmung des Mehrwerts zu entwickeln, weil er die Antwort auf die Bewertung unterschiedlich qualifizierter Arbeitskräfte und unterschiedlicher Kapitalintensität schuldig bleibt.

Da Marx dem Markt keine Bedeutung zumisst, leistet er zur Theorie der Preisbildung keinen Beitrag – was übrigens ein wesentlicher Grund ist, weshalb marxistische Ordnungen in der Praxis wirtschaftliche Dynamik und individuelle Initiative der Wirtschaftssubjekte vermissen lassen und zwangsläufig daran scheitern müssen – was durch zahlreiche marxistische Experimente ja eindrucksvoll bestätigt wird.

3. Preisbildung in der Marktwirtschaft

In der heutigen ökonomischen Lehre wird allen Produkten ein subjektiver Tauschwert zugeschrieben. Die Preise ergeben sich danach nicht allein aus den Kosten der Anbieter, sondern darüber hinaus durch die subjektive Bewertung der Nachfrager, die einer Vielzahl von Einflüssen unterliegt und die Anbieter zu laufenden Preisanpassungen zwingt. Das unternehmerische Preiskalkül kann sich also nicht allein auf statische Kostenberechnungen gründen, wie es die Klassische Lehre vorsieht. Unternehmer müssen vielmehr ihre Kosten und Preise in Abhängigkeit von der voraussichtlichen Markt- und Wettbewerbssituation über den gesamten Produktlebenszyklus abschätzen, um eine Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen, die sie dann – neben anderen Erwägungen – guten Gewissens in ihre Entscheidung über einen Markteintritt einfließen lassen können.

Ungeachtet der subjektiven Bewertung der Nachfrager und ungeachtet der Gewinne oder Verluste der Anbieter ist zu beachten, dass die Preise in der Marktwirtschaft, und ebenso in allen anderen denkbaren Wirtschaftssystemen, alle durch die Produktion und den Gebrauch von Produkten verursachten Kosten enthalten müssen, wenn sie die gesellschaftliche Wohlfahrt nicht gefährden sollen. Diese Internalisierung der Kosten ist Aufgabe der wirtschaftspolitischen Steuerung und muss für alle Anbieter gelten, um den Wettbewerb nicht zu verzerren. Mit anderen Worten: Diese Kosten dürfen nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt (nicht externalisiert) werden. Im einzelnen müssen die Anbieter durch wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, Regeln und Standards angehalten werden, externe Kosten von vornherein zu vermeiden (sie zu internalisieren). Siehe weiterführend den Artikel Wirtschaftliche Externalitäten.

Dauerhafte gesellschaftliche Wohlfahrt innerhalb eines Wirtschaftsraumes setzt deshalb eine autonome Wirtschaftspolitik voraus. Dauerhafte Wohlfahrt, durch internationalen Handel und Wettbewerb ergänzt, setzt zudem bilaterale Handelsvereinbarungen zwischen Wirtschaftsräumen über Wechselkurse, Zölle und Handelskontingente voraus, insbesondere, damit die unterschiedlichen sozialen und ökologischen Standards der Wettbewerber nicht zu einem Preisdumping auf das jeweils tiefste Niveau führen.

Für eine genauere Darstellung der Preisbildung in der Marktwirtschaft empfehle ich die Artikel Markt und Marktwirtschaft sowie Wirtschaftliche Preisbildung.

Hinweis zur COVID-19-Pandemie

Die Pandemie hat die wesentlichen Schwächen der neoliberalen Wirtschaftsordnung für jeden fühlbar offengelegt, vor allem den Mangel an medizinischen, aber auch anderen Produkten, der durch Unterbrechungen der völlig irrwitzig vernetzten Wertschöpfungs- und Lieferketten weltweit bedingt ist.

Die Analysen des neoliberalen Systems sowie die darauf aufbauenden Prinzipien und praktischen Vorgehensweisen zum Aufbau eines zukunftsfähigen Systems, die das vorliegende Kompendium präsentiert, erhalten durch das Coronavirus eine unerwartete Aktualität. Jetzt gilt es, die Chance zu nutzen und wirtschaftspolitischen Druck aufzubauen, um die Entwicklung einer nachhaltig auf gesellschaftliche und ökologische Wohlfahrt gerichteten Wirtschaftsordnung durchzusetzen.

Der nachfolgende Artikel verweist dazu auf die im Kompendium enthaltenen zielgerichteten Argumente: COVID-19 und Globalisierung
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Hier geht’s zur englischsprachigen Version: Labor Theory of Value.

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