Wirtschaftliches Dumping
Den Wettbewerb verzerrende, verheerende externe Kosten verursachende Preisdrückerei als bevorzugtes Schmiermittel auf »liberalisierten« Märkten
Ein Artikel im Kompendium der marktwirtschaftlich-sozialökologischen Ökonomik
Zentrale Fragen angesichts der neoliberalen Krise:
Wie sind Beschäftigung und faire Einkommen zu sichern?
Wie kann die Umwelt effektiv geschützt werden?
Wie ist die wirtschaftliche Globalisierung zu gestalten?
Welchen Beitrag kann die Wirtschaftswissenschaft leisten?
Welche Aufgaben muss die Wirtschaftspolitik wahrnehmen?
Wie ist die Wirtschaftspolitik demokratisch zu legitimieren?
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Inhaltsverzeichnis
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1. Überblick
Nichts charakterisiert das herrschende neoliberale Wirtschaftssystem so sehr wie die durch Dumping weltweit in eine Abwärtsspirale getriebenen Preise. Gegen niedrige Preise wäre nichts einzuwenden, wenn sie nicht mit verheerenden Kosten für Mensch und Natur verbunden wären. Die Vielfalt der Dumping-Methoden ist erstaunlich und vermittelt einen Eindruck von der Rücksichtslosigkeit und Verwerflichkeit unseres Wirtschaftens. Wenn Einsicht der erste Schritt zur Zukunftsfähigkeit ist, dann lohnt sich ein Einblick in die Abgründe des neoliberalen Systems.
2. Begriffsklärung
Dumping im weitesten Sinne
Mit dem Begriff Dumping wird im ökonomischen Zusammenhang im weitesten Sinne die bewusste Preisdrückerei bis unterhalb der Herstellungskosten eines Produktes oder unterhalb der Kosten für den Substanzerhalt von Rohstoffen bezeichnet. Dabei sind wirtschaftspolitische und unternehmerische Dumping-Methoden zu unterscheiden:
Die wirtschaftspolitischen Methoden, die auf bewusster Regelung oder auch politischer Fahrlässigkeit beruhen, können auf alle Wirtschaftssektoren einer Volkswirtschaft, auf einzelne Branchen oder auf einzelne Produkte gerichtet sein. Das heißt, den Preisen werden die genannten Kosten bewusst oder fahrlässig nicht zugeschlagen, sondern der Gesellschaft als Ganzes, zukünftigen Generationen und der Umwelt aufgebürdet; ökonomisch ausgedrückt werden die Kosten externalisiert. Charakteristisch für wirtschaftspolitisches Dumping ist, dass die externalisierten Kosten in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nicht oder nur unzureichend erfasst und die Auswirkungen deshalb unterschätzt werden, so dass es zu unvorhergesehenen sozialen und ökologischen Verheerungen wie beispielsweise Massenarmut und Bodenerosion kommen kann.
Ergänzend betreiben Unternehmen eigenständiges Dumping, indem sie ihre Preise in eigener Verantwortung und zusätzlich zu möglichem wirtschaftspolitischen Dumping unter ihre kalkulatorischen Herstellungskosten drücken. Sie tun das, um im gegebenen Umfeld entweder neue, preissensible Märkte möglichst schnell zu durchdringen oder um Wettbewerber gezielt aus etablierten Märkten zu verdrängen. Da unternehmerisches Dumping unmittelbar die Einnahmen verringert und Gewinne schmälert oder ausschließt, haben Unternehmen ein Interesse daran, die Preise schnellstmöglich anzuheben, sobald sie ihr Dumping-Ziel erreicht haben. Wenn Wettbewerber mittels Dumping erfolgreich verdrängt worden sind, ergeben sich Anreize, die Preisspirale nach oben zu richten und außerordentliche Gewinne abzuschöpfen. Im Falle einer marktbeherrschenden Stellung oder eines Marktmonopols (Beispiel: microsoft) entstehen schließlich Anreize für Wucherpreise.
Dumping im engeren Sinne
Im engeren Sinne des gegenwärtigen neoliberalen Freihandels wird der Begriff Dumping ausschließlich auf Exportpreise bezogen, die durch wirtschaftspolitische oder unternehmerische Maßnahmen unter das Niveau der Binnenpreise, der Herstellungskosten bzw. der Substanzerhaltungskosten derselben Produkte gedrückt wurden. Auf diese eingeschränkte Definition hat sich die Welthandelsorganisation (WTO) festgelegt, die damit zwei Ziele verfolgt:
Erstens kann sie die Tatsache vernebeln, dass die Binnenpreise unter neoliberalen Verhältnissen (auf offenen Märkten) zwangsläufig der Abwärtsspirale von Export- und Importpreisen folgen müssen. Binnenanbieter können der Preisdrückerei nur widerstehen, solange sie noch profitabel sind, bis sie schließlich durch das Dumping vom Markt verdrängt werden.
Zweitens kann sie die Vielfalt der unter ihrem Regime praktizierten Dumping-Methoden und deren verheerende Folgen vernebeln, um ihre multilateralen Vereinbarungen zum globalen Freihandel und speziell den Abbau von Zöllen und Handelskontingenten nicht zu gefährden.
Mit ihrer Definition und ihren entsprechend harmlosen Anti-Dumping-Vereinbarungen macht sich die WTO zum Förderer aller Spielarten des Dumpings, ja, sie versteht das Dumping stillschweigend als einen wesentlichen Antrieb zur »Liberalisierung« der Märkte. So ist die Preisdrückerei unter ihrem Regime zum Schmiermittel des neoliberalen Freihandels geworden.
3. Die Vielfalt der neoliberalen Dumping-Methoden
Unter den Regeln der in Bretton Woods ausgehandelten wirtschaftlichen Nachkriegsordnung (siehe dazu auch den Artikel Bretton-Woods-System) war Dumping weitgehend auf eigenständige unternehmerische Maßnahmen beschränkt, mit denen Wettbewerbsvorteile auf Binnenmärkten angestrebt wurden und, bei festen und periodisch angepassten Wechselkursen, nur mäßige Vorteile auf internationalen Märkten zu erzielen waren. Kartellgesetze sorgten dafür, dass die Verzerrungen des Wettbewerbs nicht überhand nahmen. Mit dem Scheitern des Bretton-Woods-Systems Anfang der 1970er Jahre und der Entstehung offener globaler Märkte (beschönigend als »Marktliberalisierung« bezeichnet) ergaben sich wirtschaftspolitische sowie unternehmerische Anreize und Zwänge, im neu entstandenen Dollar-Raum der globalen Märkte unmittelbare Vorteile durch Preisdrückerei jeglicher Art zu erzielen. Nationale Wirtschaftspolitiken und ansässige Unternehmen spielten sich gegenseitig die Dumping-Bälle zu. Der resultierende Kostendruck auf globalen und nachfolgend auf nationalen Märkten mündete in die erwähnten Abwärtsspiralen bei Preisen sowie bei allen für die Wohlfahrt unabdingbaren Standards. Dieses »race to the bottom«, in dem sich seither Nationalstaaten und Unternehmen gemeinsam engagieren, verursacht endgültige Verdrängungen, zunehmende Konzentration von wirtschaftlicher Macht und wirtschaftlichem Kapital, strukturelle Verödungen bis zur flächendeckenden De-Industrialisierung und letztlich weltweit Arbeitslosigkeit, Armut und Umweltschäden.
Sozial-Dumping
Sozial-Dumping ist eine Methode, die unter den herrschenden neoliberalen Verhältnissen verheerende Ausmaße angenommen hat. Mit keiner anderen Methode lässt sich dem Kostendruck im globalen Wettbewerb unverzüglicher begegnen als mit einer Senkung des größten unternehmerischen Postens: den Arbeitskosten. Da die Gewerkschaften zu einer ursächlichen Kritik am neoliberalen System nicht fähig sind, gehen ihnen in den Tarifverhandlungen die Argumente aus, und so machen sie sich zum Spielball industrieller Interessen. Ohne gesellschaftliche Gegenmacht aber wird das neoliberale Sozial-Dumping von den Profiteuren Zug um Zug auf alle sozialen Leistungen ausgedehnt. Seit den 1980er Jahren beobachten wir:
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Und: Seit Jahren bewegen sich die Lohnzuwächse unterhalb des Produktivitätszuwachses, so dass die binnenwirtschaftlichen Kreisläufe infolge sinkender Kaufkraft und Nachfrage geschwächt werden und sich die strukturelle wirtschaftliche Verödung beschleunigt (Macht- und Kapitalkonzentration samt De-Industrialisierung vor allem in peripheren Gebieten, also außerhalb der Ballungszentren). Die Steuereinnahmen sinken, so dass die prekären Löhne immer ungenügender durch Transferleistungen aufgestockt werden können und unter das Existenzminimum rutschen. Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen sowie private und öffentliche Armut nehmen zu.
Öko-Dumping
Mit dem Öko-Dumping können neben dem Sozial-Dumping die größten Kostenersparnisse erzielt werden. Es erzeugt aber auch entsprechend hohe externe Kosten, zudem erschöpft sich sein Nutzen schnell und es verursacht sehr langfristige und teils irreversible Folgeschäden an der Biosphäre. Da die Umwelt keine starke Lobby hat, geht vom Öko-Dumping die größte existentielle Gefahr aus. Im ökologischen Kontext wird das englische Wort Dumping ironischerweise seiner landläufigen Bedeutung als »Vergeudung« gerecht.
Zu den weltweit verbreiteten Arten des Öko-Dumping zählen:
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Struktur-Dumping
Diese Methode wird gewöhnlich nicht als Dumping wahrgenommen, vielmehr gilt sie als bevorzugtes Mittel der Produktivitätssteigerung im neoliberalen Verdrängungswettbewerb. Abzulesen am beständigen Prozess unternehmerischer Übernahmen und Zusammenschlüsse zu immer größeren Einheiten bis hin zu Monopolen. Die betriebswirtschaftliche Begründung für diese Entwicklung lautet: Skalenerträge und Größenvorteile.
Struktur-Dumping ist gegeben, wenn Unternehmen Skalenerträge und Größenvorteile realisieren, die über das sozial und ökologisch verträgliche Maß hinausgehen. Skalenerträge werden erzielt, indem die Stückkosten durch unbegrenzt zentralisierte Massenproduktion immer weiter abgesenkt werden. Größenvorteile werden erzielt, indem Übernahmen und Zusammenschlüsse gezielt im Hinblick auf Synergieeffekte gestaltet werden, das heißt, indem sich betriebliche Abläufe gegenseitig befruchten oder Kosten durch die Zusammenlegung von Abteilungen wie Einkauf, Verwaltung und Personal eingespart werden.
Der Pferdefuß an übertriebenen Skalenerträgen und Größenvorteilen ist, dass die betriebswirtschaftliche Kostenrechnung isoliert betrachtet zwar nicht zu beanstanden ist, die externalisierten volkswirtschaftlichen Kosten aber mangels wirtschaftspolitischer Vorgaben und Kontrolle aus dem Ruder laufen. Eine detaillierte Darstellung der scheinproduktiven neoliberalen Nutzung von Skalenerträgen und Größenvorteilen ist im Artikel Skalenerträge und Produktivität nachzulesen.
Struktur-Dumping verursacht sowohl externe soziale als auch externe ökologische Kosten. Die sozialen Kosten entstehen im Zuge der Zentralisierung durch die Vernichtung dezentraler Betriebe und Arbeitsplätze, begleitet von rückläufiger dezentraler Verantwortung und rückläufiger demokratischer Entscheidung vor Ort. Die ökologischen Kosten entstehen grundsätzlich aus der mit zentraler Machtausübung einhergehenden Ignoranz. Da der Zentralismus quasi eine Voraussetzung für die neoliberale Exportorientierung ist, werden auch Märkte und Strukturen in den importierenden Ländern in Mitleidenschaft gezogen.
Verbreitete Beispiele für Struktur-Dumping sind:
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Wirtschaftspolitisches Dumping
Nationales und supranationales (EU) wirtschaftspolitisches Dumping ist unter neoliberalen Verhältnissen zu einer wirksamen Methode avanciert, um den eigenen Wirtschaftsstandort für unternehmerische Investitionen attraktiv zu gestalten und zugleich ansässigen Unternehmen Vorteile im Wettbewerb um Exportmärkte zu verschaffen.
Verbreitete Arten wirtschaftspolitischen Dumpings sind:
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Weitere Einzelheiten zum wirtschaftspolitischen Dumping in folgenden Artikeln: Währungskrieg und Wechselkurs, Finanzmarktkrise 2008, Eurokrise oder EU-Krise?, EU: Bundesstaat oder Staatenbund? sowie Heterogener Euro-Binnenmarkt.
4. Das Dumping-Verständnis der WTO
Die Welthandelsorganisation verzichtet bewusst auf Definitionen und Wertungen der unterschiedlichen Dumping-Methoden, weil das ihre multilateralistischen Verhandlungen und Vereinbarungen zum Freihandel über Gebühr durchkreuzen würde. Oberstes Prinzip ihres Freihandels ist die sogenannte Meistbegünstigung, die Länder verpflichtet, einmal gewährte Vergünstigungen bei Zöllen, Kontingenten und Auflagen sofort allen anderen und zukünftigen Handelspartnern ohne Ausnahme ebenso zu gewähren. Wenn ein Land seine Märkte also erst einmal uneingeschränkt geöffnet hat, darf jedes WTO-Mitglied ohne Einschränkung in diese Märkte exportieren. Keine Frage, dass Länder dabei ihren Einfluss auf die eigene Handelspolitik für alle Zeiten aufgeben und verlieren.
Um das Streben nach dem neoliberalen Idealzustand nicht zu gefährden, spricht die WTO nur dann von Dumping, wenn der Preis eines Exportproduktes unterhalb des Preises desselben Produkts auf dem Heimatmarkt des Exporteurs liegt. Diese Definition ist im Kontext der von der WTO vertretenen Doktrin der »Marktliberalisierung« unsinnig, weil, wie oben schon angedeutet, im Wettbewerb auf offenen globalen Märkten die Binnenpreise ständig dem Druck von Importpreisen ausgesetzt sind. Die Binnenanbieter müssen ihre Preise also laufend nach unten an die Export- und Weltmarktpreise anpassen, wenn sie nicht vom Markt verdrängt werden wollen. In der Regel gelingt ihnen diese Anpassung und ihr Überleben nur, solange sie, im Verein mit der nationalen Wirtschaftspolitik, ihre Arbeits- und Umweltkosten entsprechend senken können.
Das heißt, die WTO fördert mit ihrer Doktrin das Dumping von Export- und Binnenpreisen gleichermaßen und im ständigen Gleichtakt. Ihre Dumping-Definition ist also reine Augenwischerei zur ungehinderten Durchsetzung ihrer doktrinären Ziele. Deshalb greift sie auch unerbittlich ein, wenn benachteiligte Länder sich mit Schutzzöllen und sonstigen Handelsbeschränkungen gegen verbilligte Importe zur Wehr setzen. Und sie scheut sich nicht, den fundamentalen Unterschied zwischen sinnvoller Protektion und unsinnigem Protektionismus zu verwischen, mit der Folge, dass die gegenseitigen Protektionismus-Vorwürfe unter den WTO-Mitgliedern ein inflationäres Ausmaß angenommen haben (siehe dazu auch den Artikel Protektion und Protektionismus).
Überdies hat die WTO noch einige Hürden aufgebaut, um Streitereien zwischen Handelspartnern möglichst im Keim zu ersticken: Sie selbst nimmt zunächst eine neutrale Position ein und erklärt das Dumping zu einem Problem der rein bilateralen Preisgestaltung. Von Ländern, die sich übervorteilt glauben, verlangt sie »objektive Untersuchungen« und »positive Nachweise«, dass Mengen und Preise von Importen eine schädliche Auswirkung auf Heimatmärkte und Hersteller haben. Da das der Normalfall im Verdrängungswettbewerb und Ursache der Abwärtsspiralen aller Preise ist, verlaufen die bürokratisierten Verfahren zur Schlichtung meist im Sande und die harmlosen Anti-Dumping-Maßnahmen der WTO kommen erst gar nicht zur Anwendung.
Festzuhalten ist, dass sich die Widersprüche der neoliberalen Doktrin ihrer Natur nach mit trickreichen Verfahren nicht aus der Welt schaffen lassen. Die Verhandlungen unter den WTO-Mitgliedern verzeichnen denn auch eine zunehmende Zahl von Einsprüchen gegen die Anti-Dumping-Praxis der WTO. Vor allem Entwicklungsländer verlangen einen besseren Schutz ihrer (noch) nicht wettbewerbsfähigen Industrien gegenüber den mächtigen Exportinitiativen der Industrieländer. Von 1995 bis 2007 haben die WTO-Mitglieder deshalb 3097 Dumping-Investigationen unter sich durchgeführt, davon war allein Indien an 474 Verfahren beteiligt. Es verwundert nicht, dass dann auch die Doha-Verhandlungsrunde 2006 ohne Einigung zwischen alten Industrieländern und Entwicklungsländern zu Ende gegangen ist. Siehe auch den Artikel Welthandelsorganisation (WTO)!
5. Wie ist eine zukunftsfähige Anti-Dumping-Strategie zu gestalten?
Zukunftsfähigkeit setzt voraus, dass die zerstörerischen Mechanismen des neoliberalen Wirtschaftssystems überwunden werden. Es bedarf umgestalteter nationaler Wirtschaftsordnungen, die sich zu einer neuen globalen Wirtschaftsordnung ergänzen. Da die höchsten sozialen und ökologischen Kosten vom neoliberalen Freihandel verursacht werden, ist die außenwirtschaftliche Neugestaltung am dringendsten.
Dazu muss der Wechselkurs wieder seine originäre Funktion als verbindendes Element des internationalen Handels und als Garant gegenseitiger Handelsgewinne erhalten. Er muss die natürlichen Unterschiede in der produktiven Entwicklung von Handelspartnern ausgleichen und im Wettbewerb zugleich Impulse für Produktivitätszuwachs und Fortschritt erzeugen. Konkret heißt das, der bilaterale Wechselkurs zweier Wirtschafts- und Währungsräume ist direkt aus den beiden Durchschnittspreisen aller Handelsprodukte in nationaler Währung zu berechnen, so dass Produkte, deren Preise dem durchschnittlichen Preisniveau aller Handelsprodukte entsprechen, bei Anwendung des Wechselkurses in beiden Währungen denselben Geldwert haben. Das heißt, die unterschiedlichen Preise (einschließlich der verursachenden unterschiedlichen Produktivitäten) werden durch den Wechselkurs im Schnitt neutralisiert. Damit ist die originäre Funktion des Wechselkurses (wieder) hergestellt und der Wettbewerb verlagert sich von absoluten Preisvorteilen in Leitwährung (US-Dollar oder Euro) auf komparative relative Preisvorteile im Kursverhältnis zweier Landeswährungen.
Da der Wechselkurs nur die Durchschnittspreise zweier Handelspartner neutralisiert, entsteht ein Wettbewerb um relative Preise: Ein Produkt, dessen Preis bei einem Partner im Vergleich zum Durchschnittspreis aller Produkte günstiger ist als das gleiche oder ein ähnliches Produkt beim anderen Partner – dessen Herstellung folglich mit relativ höherer Produktivität erfolgt – hat einen relativen Preis- und Wettbewerbsvorteil und wird damit zu einem Exportkandidaten des Handelspartners. Für ein solches Produkt zahlt ein Abnehmer im importierenden Land weniger als für das vergleichbare Inlandsprodukt, immer vorausgesetzt, der Wechselkurs ist aus den beiden Durchschnittspreisen hergeleitet. Das importierende Land erzielt also einen Handelsgewinn, den es ungeschmälert an seine Abnehmer weitergeben oder durch Zölle so weit abschöpfen kann, dass der inländische Wettbewerb zwar optimal angeregt wird, aber die eigenen Hersteller existentiell nicht gefährdet werden. Darüber hinaus kann das importierende Land Importkontingente festlegen, um Verdrängungen der eigenen Hersteller zu verhindern und eine optimale Angebotsvielfalt zu erzielen.
So kann die unabdingbare Unterscheidung zwischen sinnvoller und unsinniger bis potentiell zerstörerischer Anpassung von Preisen und Mengen an den außenwirtschaftlichen Schnittstellen wieder Einzug ins ökonomische Denken halten, also die Unterscheidung zwischen sinnvoller Protektion durch Wechselkurse, Zölle und Handelskontingente einerseits und unsinnigem Protektionismus aus ökonomisch-nationalistischen oder ökonomisch-imperialistischen Beweggründen andererseits. Und: Bei den unter diesen Bedingungen herrschenden multi-bilateralen Handelsbeziehungen können Handelsgewinne maximiert werden, indem Produkte vom jeweils (relativ) preisgünstigsten Handelspartner importiert werden. Für einen tieferen Einblick empfehle ich die Artikel Zukunftsfähiger Außenhandel sowie Komparativer Vorteil – aufgewertet.
Auch bei komparativen relativen Preisvorteilen können Länder selbstverständlich bestimmte Branchen oder Produkte durch Dumping preislich begünstigen und ihnen so Wettbewerbsvorteile im Außenhandel wie auch zugleich im Binnenhandel verschaffen. Da wirtschaftspolitische Autonomie aber Voraussetzung für die Vereinbarung bilateraler Wechselkurse wie auch für die Festlegung von Zöllen und Handelskontingenten ist, sind Markteroberungen und Verdrängungen im internationalen Wettbewerb ausgeschlossen und damit die Anreize für außenwirtschaftliches Dumping gering. Die nationalen Handelsstrategien gewinnen ihre Freiheit zurück, sich statt auf Markteroberungen auf förderlichen Wettbewerb, auf die Angebotsvielfalt im eigenen Lande und auf ausgewogene Leistungs- und Handelsbilanzen zu konzentrieren.
Für die Binnenwirtschaft gilt unter den genannten Bedingungen: Das wirtschaftspolitische Dumping einschließlich der Subventionierung kann sich auf Industrien beschränken, die im nationalen Interesse der Zukunftssicherung dienen. Während es Aufgabe einer nationalen Kartell- oder Wettbewerbsbehörde ist, das unternehmerische Dumping, vor allem das Struktur-Dumping, in produktionstechnisch sinnvollen und sozial wie ökologisch verträglichen Grenzen zu halten.
Ergänzend empfehle ich die Artikel Freihandelsabkommen EU – USA und Strafzölle und Handelskrieg.
Hinweis zur COVID-19-Pandemie
Die Pandemie hat die wesentlichen Schwächen der neoliberalen Wirtschaftsordnung für jeden fühlbar offengelegt, vor allem den Mangel an medizinischen, aber auch anderen Produkten, der durch Unterbrechungen der völlig irrwitzig vernetzten Wertschöpfungs- und Lieferketten weltweit bedingt ist.
Die Analysen des neoliberalen Systems sowie die darauf aufbauenden Prinzipien und praktischen Vorgehensweisen zum Aufbau eines zukunftsfähigen Systems, die das vorliegende Kompendium präsentiert, erhalten durch das Coronavirus eine unerwartete Aktualität. Jetzt gilt es, die Chance zu nutzen und wirtschaftspolitischen Druck aufzubauen, um die Entwicklung einer nachhaltig auf gesellschaftliche und ökologische Wohlfahrt gerichteten Wirtschaftsordnung durchzusetzen.
Der nachfolgende Artikel verweist dazu auf die im Kompendium enthaltenen zielgerichteten Argumente: COVID-19 und Globalisierung
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Hier geht’s zur englischsprachigen Version: Economic Dumping.
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